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Fiktiver Prozess: Kann künstliche Intelligenz rechtlich wirksam Verträge abschließen?

In einem fiktiven Prozess am „LG Südlingen“ wurde die Frage verhandelt, ob künstliche Intelligenz ohne menschliche Einflussnahme rechtlich wirksam Verträge abschließen kann und Blockchain-Dokumentationen als Beweismittel zulässig sind.

  • advomare
  • 26.09.2024
  • Zuletzt aktualisiert am: 26.09.2024

Es ist nicht aller Tage, dass ein fiktives Gericht zusammenkommt und ein Urteil verkündet: So war es aber beim „LG Südlingen“. Dort wurde mit realen Richtern und Anwält:innen in einem fiktiven Prozess die Frage verhandelt, ob künstliche Intelligenz, ohne menschliche Einflussnahme, wirksam Verträge abschließen kann.

Ein Rechtsinformatiker der Universität des Saarlandes ließ dazu einen Fall durchspielen. Doch ganz so fiktiv ist die Frage nicht: Denn ein interdisziplinäres Forschungsteam arbeitet genau an so einem Software-Agenten, der voll automatisch Verträge abschließt.

Das fiktive „Landgericht Südlingen“ – eigentlich ein Saal im Gebäude A des Frankfurter Amtsgerichts – widmete sich einem Rechtsstreit zwischen zwei Unternehmen: Die fiktive Firma „Production Engineering“, ein Hersteller von Wälzlagern (Kugellager, die die Bewegung von Maschinen erleichtert) klagte gegen den – ebenfalls fiktiven – Maschinenhersteller „Bertel Maschinen GmbH“. Dabei geht es um zwei Wälzlager, die Production Engineering an Bertel Maschinen geliefert hat und nun die Zahlung des vereinbarten Kaufpreises einfordert.

Doch hier liegt das Problem und die Frage des Planspiels: Wer hat den Vertrag eigentlich vereinbart? Denn die Bestellungen wurden voll automatisch erzeugt über einen KI-Agenten, der Menge und Preis auf den entsprechenden Seiten aushandelte und zudem einen sogenannten Smart Contract veranlasste.

Smart Contracts sind digitale auf einer Blockchain basierende Verträge. Bei der Blockchain werden Daten in einem dezentral verteilten Netzwerk verwaltet. Dieser Einsatz gilt als besonders sicher. Sind gewisse Bedingungen erfüllt, wird dann ein Vertrag ausgeführt, also Geld bezahlt oder die Versendung der Ware beauftragt.

Doch wie bewerten Richter:innen einen Vertragsschluss durch Maschinen und Computerprogramme und wie wird die Dokumentation via Blockchain als Beweismittel gewertet?

In dem Fall soll die erste Bestellung im Januar 2023 erfolgt sein. Hier stritt der Beklagte ab, die Bestellung vorgenommen zu haben – bzw. vorgenommen haben zu lassen. Es galt zu klären, ob die automatisch erstellten Bestellprotokolle als Beweismittel zulässig sind. 

Die 2. Bestellung soll zwei Monate später im März 2023 erfolgt sein, allerdings ging es hier nicht um die Existenz der Bestellung. Die gelieferte Ware soll mangelhaft gewesen sein. Streitfrage war hier, ob Bertel rechtzeitig eine Mängelrüge über das System vorgenommen habe. Er selbst behauptet, dies getan zu haben, aber aufgrund einer technischen Störung sei diese zu spät übermittelt worden. Hier galt es zu klären, ob man mit Hilfe der Blockchain-Protokolle beweisen kann, dass es eine Störung gab und ob Bertel wirklich innerhalb der Frist versuchte, die Mängelrüge zu veranlassen, und zuletzt, wer das Risiko bei einer solchen Störung trage.

Die Entscheidung des „LG Südlingen“: Das Gericht hat in allen Punkten auf die Software-Agenten und die Smart Contracts vertraut. Automatisch abgeschlossene Verträge seien rechtlich wirksam und die Dokumentation durch die Blockchain ist ebenfalls rechtssicher und stellt einen zulässigen Beweis dar, auch wenn diese zunächst nur maschinenlesbar, also als Code, geschrieben ist.

Das Gericht erkannte aber auch an, dass doch der Faktor Mensch eine Rolle spielt. Immerhin müssten vorher verschiedene Parameter festgelegt werden, auf deren Basis die KI dann arbeitet. Hinter dem Programm habe jemand Entscheidungen getroffen, beispielsweise zur Preisskala, Menge oder Entscheidungspräferenzen.

(Bild: Muh – stock.adobe.com)

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