Vor dem LG Hamburg läuft derzeit ein Prozess gegen OpenJur, dessen Ausgang die Arbeit der Rechtsdatenbank beeinflussen wenn nicht sogar beenden könnte.
OpenJur ist eine freie journalistische Fachdatenbank und veröffentlicht seit 2008 Urteile und Gesetze. Getragen wird die Plattform von einem gemeinnützigen Verein. In der Sache geht es nun um einen Beschluss des VG Berlin gegen einen Anwalt, welches OpenJur 2022 veröffentlichte. Darin war der Klarname des im Urteil Beklagten nicht geschwärzt. Da es in der Sache um eine Zwangsvollstreckung gegen diesen ging, waren nicht nur der Name, sondern auch die finanzielle Situation dessen einsehbar.
Nach einer Abmahnung anonymisierte OpenJur das Urteil sofort – innerhalb von 20 Minuten nach Erhalt des Abmahnschreibens. Der Kläger forderte dennoch hohen Schadensersatz. Durch die Veröffentlichung hätten potenzielle Mandant:innen möglicherweise von seinen Schwierigkeiten erfahren und seien deshalb ferngeblieben. In erster Linie gehe es aber um immateriellen Schaden durch Ansehensverlust.
Wichtige Detailfragen gestalten das Verfahren sehr interessant und nicht ganz eindeutig.
OpenJur wollte sich auf eine Ausnahme der DS-GVO berufen, die für Journalisten gelte. Denn für die journalistische Datenverarbeitung gelten laut Art. 85 DS-GVO Abweichungen oder Ausnahmen. Hierbei stellt sich allerdings die Frage, ob OpenJur als Datenbank, die lediglich Informationen von einer Plattform auf die eigene schiebe und diese sammle, aber keine journalistische Aufarbeitung daran leistet, als Presse gilt.
Verneint das Gericht diesen Punkt, gilt die DS-GVO, hierbei stellt sich die Frage, wie hoch ein immaterieller Schadensersatz ausfalle. Als Richtwert kann man den vom Gericht vorgeschlagenen Vergleichswert von 2000 bis 3000 Euro nehmen.
Eine weitere rechtliche Hürde könnte zudem die Frage nach der Haftung sein. Der Geschäftsführer der Datenbank erklärte vor Gericht, dass OpenJur sich via Software die Urteile von öffentlichen Stellen ziehe. Die fehlerhafte Anonymisierung muss also schon dort passiert sein. Inwiefern OpenJur eine Sorgfaltspflicht aufzuerlegen sei, ist noch zu klären. Laut der Klägerseite müsse diese aber vorhanden sein, denn andere Stellen hätten das Urteil ebenfalls veröffentlicht, allerdings korrekt anonymisiert.
OpenJur sagt zu seiner Verteidigung, dass eine solche Prüfung jedes Urteils als gemeinnützige Organisation nicht zu leisten sei und verwies zudem auf einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes, nach dem die Presse „Verlautbarungen amtlicher Stellen […] ein gesteigertes Vertrauen“ entgegenbringen könnte.
Ein Vergleichsangebot, welches das Gericht unterbreitete, lehnte OpenJur ab. Die Plattform möchte eine Entscheidung, da diese die aktuelle Arbeit der Datenbank maßgeblich verändern könnte. Bestätigt das Gericht die Sorgfaltspflicht, so sei diese nicht mehr möglich. Eine Prinzipentscheidung ist daher essenziell. Das Urteil soll Ende Juli verkündet werden.
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