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LG Hamburg: OpenJur haftet nicht für ungeschwärztes Urteil

Ein Urteil des LG Hamburg stärkt journalistische Plattformen wie OpenJur: Trotz Datenschutzvorwürfen haftet die Plattform nicht für ein vom Gericht fehlerhaft geschwärztes Urteil – die Arbeit sei durch das Presseprivileg der DSGVO geschützt.

  • advomare
  • 11.06.2025
  • Zuletzt aktualisiert am: 11.06.2025

OpenJur gewann einen langwierigen Prozess rund um Datenschutz und die Arbeit der Plattform. Bereits im Juli 2024 sollte das Urteil eigentlich fallen, doch es dauerte noch weitere 10 Monate bis Mai 2025, bis die Entscheidung verkündet wurde (Az.: 324 O 278/3).

Ein Anwalt ging gegen die Plattform OpenJur vor, die ein Urteil, welches vom Gericht nicht entsprechend geschwärzt wurde, veröffentlicht hatte (wir berichteten). Die Klage wurde aber nun vom LG Hamburg abgewiesen.

OpenJur ist eine freie journalistische Fachdatenbank und veröffentlicht seit nunmehr 17 Jahren Urteile und Gesetze und macht diese so frei zugänglich. 2022 veröffentlichte OpenJur das streitgegenständliche Urteil – einen Beschluss vom VG Berlin gegen den Anwalt, in dem dessen Name nicht geschwärzt war. Da es sich um eine Zwangsvollstreckungssache handelte, wurde mit dem Namen auch seine finanzielle Situation offengelegt. Diese Daten waren dann ein Jahr lang für alle einsehbar.

20 Minuten nach dem ersten Abmahnschreiben des Anwalts veröffentlichte OpenJur eine korrekt geschwärzte Version des Urteils und entfernte die andere. Der Anwalt verlangte wegen des DSGVO-Verstoßes eine hohe Schadensersatzsumme. Immerhin hätten potenzielle Mandant:innen durch das Urteil von seiner Situation erfahren und sich gegen ihn als Anwalt entscheiden können. Die offengelegten Informationen waren für ihn massiv rufschädigend.

Letztlich ging es in dem Verfahren um die Frage, ob hier eine datenschutzrechtliche Haftung für OpenJur bestünde.

Dies verneinte nun das Gericht und wies die Klage des Anwalts ab. OpenJur hafte nicht dafür, dass der Beschluss des VG ohne Schwärzung des Namens und der Anschrift des Anwalts veröffentlicht wurde – eine Haftung ergebe sich weder aus der DSGVO noch aus dem BGB. Die Richter der Pressekammer stuften die Arbeit von OpenJur nämlich als journalistische Tätigkeit ein und hier greife eine Ausnahme der DSGVO nach Art. 85 Abs. 2 der Verordnung. Dieser Artikel sieht „Abweichungen und Ausnahmen“ in Bezug auf die Haftung vor, „wenn dies erforderlich ist, um das Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten mit der Freiheit der Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit in Einklang zu bringen“.  

Gegen den Schadensersatzanspruch nach BGB sprach laut OpenJur, dass der Fehler bei der Anonymisierung nicht bei der Plattform lag, sondern durch das Gericht gemacht wurde. Hierin sah der Kläger einen Widerspruch: Wenn OpenJur wirklich die Urteile einfach veröffentlichte ohne eine redaktionelle Be- und Aufarbeitung, sei dies ja dann nicht als journalistische Tätigkeit zu werten und das Presseprivileg fände hier keine Anwendung.

Das LG Hamburg bewertete dies anders und sieht in OpenJurs Tätigkeit eine redaktionelle Arbeit. Der Begriff des journalistischen Zwecks nach Art. 85 Abs. 2 DSGVO sei sehr weit auszulegen. Es komme darauf an, ob die Publikationen Meinungen, Ideen oder Informationen verbreiten, auch wenn nicht jede Veröffentlichung im Internet als „journalistische Tätigkeit“ definiert werden darf.

OpenJur erfülle aber die notwendigen Kriterien. Die Plattform fragt unveröffentlichte Entscheidungen sowohl von Gerichten als auch von Prozessvertreter:innen an. Es gibt auch Einsendungen Dritter, aus denen OpenJur interessante Urteile auswählt. Zudem veröffentlichte die Plattform auch Orientierungssätze und Schlagworte zu manchen Entscheidungen. Somit sei die Arbeit von OpenJur auch kein reines Datensammeln.

Auch laut BGB bestehe kein Schadensersatzanspruch: OpenJur durfte den Beschluss veröffentlichen, weil dies im Rahmen berechtigter Interessen geschah. Dabei verweist das LG auf Rechtsprechung des BGH: Wenn es um die Informationsaufgabe der Presse geht, darf unter bestimmten Bedingungen auch über sensible Inhalte berichtet werden.

In diesem Fall stammte die Entscheidung ursprünglich aus einer offiziellen Datenbank des Landes Berlin, auf die man sich grundsätzlich verlassen kann. Deshalb musste OpenJur zunächst nicht davon ausgehen, dass durch die Veröffentlichung Rechte verletzt werden. Erst als der Kläger sich meldete und Bedenken äußerte, musste die Plattform reagieren, was diese innerhalb von 20 Minuten getan hat.

Auch immateriellen Schaden nach Art. 82 DSGVO wegen einer verspäteten Datenauskunft sah das Gericht nicht, da der Kläger nicht schlüssig darstellen konnte, inwiefern ihm ein immaterieller Schaden entstanden sei. Zudem habe OpenJur innerhalb eines Tages einen großen Teil der Auskunft erteilt. Die zeitlich verspätete vollständige Auskunft allerdings stelle keinen über die Veröffentlichung des Namens weitergehenden Kontrollverlust dar. Für OpenJur ist diese Entscheidung enorm wichtig und stärkt nach deren Ansicht „den Schutz der Kommunikationsrechte“ und bestätigt, dass die Plattform Veröffentlichungen staatlicher Stellen nutzen darf, ohne zusätzliche Risiken für die Haftung in Kauf nehmen zu müssen.

(Bild: Pixel-Shot – stock.adobe.com)

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