Darf man von Konkurrenten DS-GVO Verstöße einklagen? Mit dieser Frage war im April der Europäische Gerichtshof beschäftigt. EU-Generalanwalt Maciej Szpunar hat nun in seinen Schlussanträgen die dem EuGH vorgelegten Fragen beantwortet und erläutert (C-21/23).
Zum Fall: Ein Apotheker vertreibt apothekenpflichtige, aber nicht rezeptpflichtige Medikamente über Amazon Market Place. Für ihn eine gute Möglichkeit, Einnahmen zu generieren, ein Konkurrent sieht darin aber ein Problem und möchte dagegen nach dem UWG vorgehen. Da der Apotheker eine Versandhandelserlaubnis hat, stützt sich der Konkurrent auf die DS-GVO: Mit dem Versand der Medikamente würden empfindliche Gesundheitsdaten erhoben und nicht korrekt verarbeitet werden.
Auch wenn die DS-GVO es nicht vorsieht, dass gegen Mitbewerber aufgrund von Datenschutz-Verstößen vorgegangen werden kann, so gibt es eine Norm im UWG, nach der man auch gegen Rechtsverstöße, welche nicht durch das UWG gedeckt sind, vorgehen kann. Denn jeder Rechtsverstoß stellt einen möglichen Marktvorteil dar.
Dennoch war in diesem Verfahren die Frage umstritten. In erster Instanz entschied das Gericht, dass der Kläger nicht klagebefugt sei. Das Sanktionssystem schließe Wettbewerber nicht mit ein. In der Berufung kam das zuständige OLG zu einem anderen Ergebnis: Bestimmte Regelungen in der Datenschutz-Grundverordnung sind Marktverhaltensregeln und damit durch die entsprechende Norm im UWG geschützt. Zudem würde der Beklagte Gesundheitsdaten im Rahmen des Bestellvorgangs verarbeiten, hierfür fehle die erforderliche Erlaubnis. Das Verfahren landete danach beim BGH, welcher zwei rechtliche Fragestellungen dem EuGH vorlegte.
Die erste Frage lautete: Dürfen die Mitgliedstaaten auf einen DS-GVO Verstoß gestützte Rechtsbehelfe einführen, auch wenn diese nicht in der Verordnung angelegt sind?
Die zweite Frage lautete: Was sind Gesundheitsdaten im Sinne der DS-GVO?
EU-Generalanwalt Szpunar ging in seinen Schlussanträgen zunächst auf die zweite Frage ein. Gesundheitsdaten sind durch Art. 4 Nr. 15 DS-GVO definiert, führt er aus. Das entscheidende Merkmal sei, „dass aus den betreffenden Daten Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand der betroffenen Person gezogen werden können.“ Erforderlich sei „ein Mindestmaß an Gewissheit der Schlussfolgerung, die über den Gesundheitszustand einer betroffenen Person gezogen werden können“. Es lägen dann keine Gesundheitsdaten vor, wenn sie „hypothetisch oder ungenaue Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand“ einer Person zulassen. Daher stellen die beim Verkauf nicht verschreibungspflichtiger Medikamente generierten Daten keine Gesundheitsdaten dar.
Danach beschäftigte sich der EU-Generalanwalt mit den nationalen Rechtsdurchsetzungsmechanismen, die in der DS-GVO nicht vorgesehen sind. Sein Schluss: Die nationalen Bestimmungen, die Unternehmen das Recht zusprechen, sich auf Grundlage des UWG darauf zu berufen, Datenschutz-Verstöße ihrer Mitbewerber zu verfolgen, stehen der DS-GVO nicht entgegen.
Der Generalanwalt betonte, dass Ansichten hier durchaus umstritten sind. Es kommt immer auf den Einzelfall an. Dennoch vertrat er die Ansicht, dass es der Angleichung der rechtlichen Bedingungen innerhalb der Länder der Europäischen Union hinsichtlich der DS-GVO dient, umso mehr sich nicht ausschließende Rechtsbehelfe hinsichtlich der DS-GVO bestehen. Mitbewerberklagen nach §§ 3a, 8 UWG seien also nicht nur nicht unzulässig, sondern sogar willkommen. Die Entscheidung des EuGH gilt es aber noch abzuwarten, auch wenn dieser meistens den Schlussanträgen des Generalanwalts folgt.
Dennoch will der Bundesrat über eine Ergänzung im UWG Mitbewerberklagen wegen DS-GVO Verstößen ausschließen, unter anderem, um Rechtsmissbrauch durch Konkurrent:innen zu verhindern.
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